Geburtstrauma: wenn aus Freude Leid wird

Birth

Viele Frauen stellen sich die Geburt oder das Kennenlernen mit deren Kind wunderschön vor. Ich freue mich für jede Frau und über jede wundervolle Geburtsgeschichte die ich höre! Denn eine unkomplizierte Geburt und das sorgenfreie Kennenlernen stärkt sowohl Mutter als auch Kind für die Zukunft.

Leider ist der Start in Leben nicht immer so optimal. Manchmal geschehen unerwartete Dinge die besondere Herausforderungen mit sich bringen. Zu mir hat einmal jemand gesagt: „Eine Geburt ist kein Wunschkonzert – hier geht es oft um Leben und Tod.“ Dieser Satz alleine zeigt schon welche Energien manchmal dahinterstecken.
Eine junge Mutter kommt zu mir in die Praxis. Die Geburt war 3 Wochen her und war etwas herausfordernd, ging jedoch gut aus. Mutter und Kind sind wohl auf. Sie sei sehr weinerlich und habe das Gefühl keine Kraft zu haben, nicht genug für das Kind machen zu können und wenn das Kind in der Nacht schläft sei sie wach.

Sie sagt zu mir, dass das doch eine ganz normale Geburt war und fragte weinerlich warum sie das nicht schaffe.

Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie eine sehr lange Wehentätigkeit hatte, ihr während der Geburt die Kraft ausging und sie eine PDA bekam und ihr Kind letztendlich mit einer Saugglocke geholt wurde.

Ich dachte mir: „Wow, diese Frau hat großartiges für sich und das Kind geleistet.“ Ich hatte tiefes Verständnis für das was sie erlebt hat.

Eine PDA ist zwar eine wundervoll erleichternde schulmedizinische Intervention. Körperlich gesehen unterbricht sie eine Energie. Diese Frau steckte körperlich noch in der Unterbrechung und erlangte dadurch ein Gefühl von Unhandlungsfähigkeit.

Schulmedizinische Interventionen sind wichtig und retten Leben!

Dennoch, brauchen viele Menschen danach eine Begleitung um das Geschehene, die Herausforderung, das zu viel und die steckengebliebenen Energien wieder zu verarbeiten.

Das ist wie wenn du eine Geschichte schreibst und sie körperlich gesehen noch keinen Punkt bekommen hat.

Du weißt zwar, dass es gut ausgegangen ist, der Körper aber noch im Modus „Auf der Hut sein“ steckt.

Wir Menschen sind in unserem natürlichen Organismus auf das Überleben eingestellt. Jedes einzelne Organ, jede einzelne Körperzelle leistet Stunde um Stunde das bestmögliche für den Menschen. Auch das Gehirn hat diverse Mechanismen die dich im Fall einer großen Herausforderung die intensiv, lang anhaltend oder gar zu plötzlich geschieht zu schützen. In erster Linien beginnt es hier mit dem Kampf oder Flucht Modus. Der bei manchen schnell ausgereizt ist und bei anderen wiederum sehr lange greift. Sollten Flucht oder Kampf aus der Situation nicht mehr helfen, so gelangen wir in die sogenannte Erstarrung. Das kannst du dir wie ein eingefrohrensein vorstellen. Unhandlungsfähig, langsam, zurückgezogen, manche Emotionen werden abgeschalten. Der Körper bleibt meist noch in der Anspannung.
Diese Mechanismen und noch viele mehr „retten“ uns in traumatischen Situationen. Oft jedoch merkt das ganze System nicht wenn die Gefahr vorüber ist, um die Spannung wieder ab zu lassen. Manche Systeme wissen auch nicht wie das funktioniert und bleiben in der Spannung der „Gefahr“ (Herausforderung) hängen.

In Bezug auf eine Geburt könnte das eine Wochenbettdepression bedeuten, ein Mangel an Muttermilch, eine Brustenzündung, eine Schlafstörung, ein Funktionieren ohne zu fühlen, eine schwere Wundheilunggroße Erwartungen an das Baby, eine Anspannung im Beziehungsaufbau, ein Gefühl von Unhandlungsfähigkeit – nichts mehr schaffen können, ein ständiges Weinen ohne zu wissen warum, körperliche Verspannungen, ein nicht Annehmen können des Mutterseins oder des Babys und noch vieles mehr..

Oft hören Frauen vom Umfeld: „Sei doch froh, dass das Kind gesund ist.“ oder „Das wird schon wieder.“ oder „Das ist doch ganz normal, sei nicht so empfindlich.“

Solche Aussagen treffen Mütter sehr. Denn sie signalisieren der Mutter, dass Ihre Empfindungen nicht richtig sind und sie schwach ist. Natürlich ist in vielen Fällen die Geburt gut ausgegangen und beide haben überlebt und das ist sehr wichtig!

Doch die Empfindungen der Frau – egal wie die Geburt verlief – ist immer richtig und hat Berechtigung.

Auch wenn die Ärzte und Hebammen oder andere Menschen in der Umgebung die Geburt als „gut“ oder „einfach“ betrachten. Die subjektive Empfindung der Mutter ist die einzig wahre. Damit will ich sagen, dass  deine Betrachtung über deine Gedanken aber auch deine Betrachtung des Körpers in Form von Körpersignalen richtig ist.

Annehmen und Halt erlangen
In erster Linie ist es wichtig sich bewusst zu machen und anzuerkennen, dass die Geburt herausfordernd oder traumatisierenden war. Auch zu wissen, dass dies viel häufiger vorkommt als man denkt kann Erleichterung schaffen.

Deine Empfindungen und Gefühle die da sind, sind RICHTIG!

Schaue was du in diesen Momenten brauchst, schaue was dir gut tut und lass Unterstützung zu. Du musst das nicht alleine schaffen. Und wenn dein Umfeld ebenso überfordert ist, dann hol dich gerne Unterstützung von erfahrenen Begleitern, Hebammen, Cranio Sacral Begleiter oder auch SE Therapeuten. Ganz egal wo es dich hinzieht, lass dich halten und begleiten.

Nicht jede Geburt wird zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung!

Es kommt immer darauf an wie die Person welche Erlebnisse verarbeiten kann – welche Resilienz vorhanden ist. Welche Vorerlebnisse diese Person hatte.

Und am allerwichtigsten ist, wie eine Person in belastenden Geburten begleitet wird. Davor – währenddessen – und danach!

Eine Verschleppung oder nicht Wahrnehmen, nicht Anerkennen der Empfindungen oder Symptome macht es keinesfalls leichter. Manchmal scheint die Zeit Wunden zu heilen. Doch sehr oft ist es so, dass alte Wunden aufreißen, wenn neue überwältigende Erlebnisse oder Stress dazu kommen. Und dann ist die Ladung gleich doppelt so groß und man weiß nicht warum.

Schau gut auf dich, nimm deine Empfindungen ernst und lass dich begleiten.